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02.12.2016

Grundschulen können Bildungsauftrag nicht länger erfüllen

VBE-Blitzumfrage zur Situation der Grundschulen in NRW  

"Nach einer Blitz-Umfrage unter allen Grundschulen in Nordrhein-Westfalen kommt der VBE zu der Einschätzung, dass NRWs Grundschulen aufgrund einer anhaltenden Misere bei der personellen Ausstattung nicht länger in der Lage sind, Ihren Bildungsauftrag zu erfüllen", sagt Udo Beckmann, Landesvorsitzender des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) NRW. Was das u.a. bedeutet, hat gerade die aktuelle TIMMS-Studie aufgedeckt. Sie belegt, dass die Leistungen der Grundschüler in Mathematik in den letzten vier Jahren deutlich nachgelassen haben.

Nach VBE-Einschätzung hat das hohe Engagement der Lehrkräfte bisher weitere Defizite weitgehend zudecken können. Nachhaltige Maßnahmen, um den wachsenden Personalmangel an den Grundschulen dauerhaft zu entschärften, sind aber überfällig. „Nun rächt sich leider, dass die Anforderungen und Erwartungen an die Lehrkräfte in den Grundschulen seitens der Politik ständig erhöht worden sind, ohne die notwenigen Ressourcen mitzuliefern“, bedauert Beckmann.

Die VBE-Umfrage, an der sich mit 1390 Grundschulen rund 50 Prozent aller Grundschulen beteiligt haben, zeigt, dass von den Stellen, die zum 1. August 2016 ausgeschrieben waren, zumindest an den beteiligten Schulen, bis zum 1. November 2016 nur zwei Drittel besetzt werden konnten. Rund 23 Prozent der Grundschulen haben - laut Rückmeldung - zum 1. November Stellen ausgeschrieben. Von diesen Stellen konnten bis Mitte November 45 Prozent besetzt werden. 

Noch drastischer sieht es aus bei der Ausschreibung von Stellen für das Gemeinsame Lernen (Inklusion) an Grundschulen. Nach den Ergebnissen der Umfrage fand sich nur für jede fünfte Stelle für sonderpädagogische Förderung von Kindern eine entsprechende Fachkraft. Mittlerweile bleiben nahezu alle ausgeschriebenen Stellen unbesetzt.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass für die Vertretungsstellen im Grundschulbereich keine ausgebildeten Lehrkräfte mehr zur Verfügungen stehen und daher auf Studierende oder Bewerber ohne Lehramtsausbildung zurückgegriffen werden muss.

Welche Folgen hat der Personalmangel im Alltag der Schulen? Da die Schulen bei Erkrankungen oder ähnlichem auf keine Vertretungsstellen zurückgreifen können, sehen sie sich gezwungen, Doppelbesetzungen in inklusiven Klassen aufzulösen. Die Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen werden als Klassenleitungen oder anderweitig als Vertretung eingesetzt. In der Konsequenz bedeutet dies, dass in diesen Lerngruppen weder Kinder mit sonderpädagogischen Förderbedarf noch die Kinder ohne Förderbedarf die notwendige Unterstützung erhalten. 

Eine dramatische Entwicklung zeichnet sich auch im Bereich der Versorgung mit Konrektorinnen und Konrektoren ab. Laut Umfrage sind 39 Prozent der Schulen, die geantwortet haben, ohne stellvertretende Schulleitung. „Dies ist eine Katastrophe für die von der Politik immer wieder eingeforderte Schulentwicklung“, sagt Beckmann. Es zeigt, dass dieses Amt dringend attraktiver gestaltet werden muss. Zurzeit verdient ein Konrektor rund 87 Euro mehr im Monat als eine normale Lehrkraft. „Das ist ein Beleg dafür, dass es ein großer Fehler der Landesregierung ist, die Konrektoren bei der Besoldungserhöhung für Schulleitungen auszuklammern, hier muss umgehend nachgesteuert werden“, fordert Beckmann.

Die 1390 Schulen, die geantwortet haben, haben im Durchschnitt jeweils rund 9 Klassen. In 60 Prozent dieser Klassen werden 24 Kinder und mehr unterrichtet. Rund 13 Prozent der Klassen umfassen sogar 28 und mehr Kinder. „Die Landesregierung ist noch weit weg von ihrem Ziel, die Lerngruppen zu verkleinern und bei den Lerngruppengrößen die Voraussetzungen für individuelle Förderung zu schaffen“, sagt Beckmann.

Die Schulen reklamieren außerdem, dass sie trotz der Maßnahmen der Landesregierung immer noch viel zu wenig Unterstützung haben durch Lehrkräfte mit Deutsch als Fremdsprache-Qualifikation und dass sie dringend mehr sozialpädagogische Fachkräfte benötigen. „Diese Blitzumfrage zeigt, dass sich die Situation seit der Erhebung durch den VBE im Mai dieses Jahres weiter deutlich verschlechtert hat. Ein Masterplan, wie vom VBE eingefordert und von der CDU in den Landtag gebracht, ist unverzichtbar und längst überfällig. Dazu gehört auch eine verbesserte Bezahlung und die Einstufung in die Besoldungsgruppe A 13. Zurzeit hat eine Grundschullehrerin in NRW ein um 4000 Euro geringeres Jahreseinkommen als eine vergleichbare Lehrkraft in Bayern. Auch das sagt viel über Wertschätzung aus", sagt Beckmann.

VBE-Forderungen für den Masterplan Grundschule

  • Schaffung einer Vertretungsreserve für jede Grundschule.
  • Jede Schule braucht ein Schulleitungsteam, bestehend aus Rektor/in und Konrektor/in. Deren Besoldung muss deutlich höher sein als die der anderen Professionen an der Schule.
  • Eine Doppelbesetzung aus sonderpädagogischer Lehrkraft und Grundschullehrkraft in allen inklusiven Klassen.
  • Eine bessere Ausstattung für Sprachförderung.
  • Mehr Ressourcen für landesweit vergleichbare qualitativ hochwertige Ganztagsangebote.
  • Absenkung der Unterrichtsverpflichtung an Grundschulen auf die Unterrichtsverpflichtung an Schulen des längeren gemeinsamen Lernens (25,5 Stunden pro Woche.
  • 0,5 statt wie bisher 0,2 Anrechnungsstunden für besondere schulische Aufgaben, vergleichbar mit der Sekundarstufe I.
  • Maximal 24 Kinder pro Klasse.
  • Jede Grundschule benötigt eine sozialpädagogische Fachkraft.

 

Die Grundschule-Umfrage in Zahlen

1390 (50 Prozent) von insgesamt 2786 öffentlichen Grundschulen haben sich beteiligt.

Von diesen hatten zum 1. August 366 Schulen insgesamt 501 Stellen ausgeschrieben.

Zum 1. November waren davon noch immer 101 Stellen unbesetzt.

Zum 1. November haben von den befragten Schulen 317 Stellen ausgeschrieben, insgesamt sind das 383 Stellen.

Davon konnten bis zum 15. November 122 Stellen nicht besetzt werden.

181 der 1390 Schulen melden, dass sie keinen originär bestellten Schulleiter haben, 91 der 181 Schulen werden kommissarisch geleitet.

431 der befragten Schulen haben keinen Konrektor.

Die 1390 Schulen haben insgesamt 12.873 Klassen. Davon haben 39 Prozent 24 und mehr Schülerinnen und Schüler. 13 Prozent haben 28 und mehr Kinder.

2/3 der befragten Schulen beklagen die fehlende Unterstützung durch eine sozialpädagogische Fachkraft.

 


Pressemitteilung 50-2016
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